Drei-Brüder-Schacht

Hermser Stolln

Wer die Schätze des Grünen Gewölbes und den architektonischen Reichtum Dresdens betrachtet, sollte daran denken, woher der sächsische Staat seinerzeit das Geld dafür nehmen konnte: vom Bergbau, vornehmlich auf Silber. Jedes Gramm dieses Edelmetalls, das mühevoll dem Boden entrissen wurde, konnte in bare Münze geschlagen werden. Silber war die Währung über Jahrhunderte, der Silbergehalt des Münzgeldes verkörperte den Tauschwert auf dem Markt. Seit dem 12. Jahrhundert, wahrscheinlich sogar noch früher wurde im gesamten Erzgebirge jeder Stein umgedreht. Mit der Zeit musste man in immer größeren Teufen suchen und den damit einhergehenden Problemen trotzen, bis man an die Grenzen des Machbaren stieß. Technische und organisatorische Neuerungen brachten den Bergbau jedoch immer wieder zu neuer Blüte.

Ein typisches Beispiel dieses Kampfes findet sich im Revier südlich von Freiberg. Aus vielen kleinen Gruben konsolidierten sich bis in das 19. Jh. immer größere Bergbauanlagen mit Belegschaften, die in dreistelligen Zahlen bemessen waren. Projekte ging man gemeinsam an, sollten sie überhaupt Erfolgsaussichten haben. Denn wie schon immer hieß es, zu investieren, ohne sicher zu wissen, was der Ertrag sein würde. Der Bergmann sagt zu Recht: „Vor der Hacke ist es finster!“.

Zwei Hauptgruben zwischen Freiberg und Brand-Erbisdorf, die „Beschert-Glück-Fundgrube“ und die Grube „Segen Gottes Herzog August“ beschlossen 1791, das zunehmende Problem der Grubenentwässerung gemeinsam anzugehen. Man hoffte, in den dann zugänglichen größeren Teufen weitere Erzvorkommen zu finden. So wurde der „Drei-Brüder-Schacht“ angelegt, dessen Technik üblicher Weise mit Wasserkraft betrieben wurde. Die Ver- und Entsorgung der Betriebswässer forderte die Ingenieure und Bergmänner heraus.

Zuletzt drehten sich in über 120 Metern Tiefe zwei riesige Wasserräder, die einerseits die Wasserpumpen und andererseits auch den Materialtransport nach über Tage in Betrieb setzten.

Wie so oft, stellten sich nach der Fertigstellung des Schachtes bis in 390 m Tiefe leider nicht die erhofften Erzvorräte ein. Zeitgleich, mit Ausgang des 19. Jh. verfiel der Silberpreis auf dem Weltmarkt, denn in Übersee konnte man das Edelmetall ohne großen Aufwand quasi vom Boden auflesen. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde Silber als Währungsmetall durch Gold abgelöst. In Summa geriet so der sächsische, speziell der Freiberger Bergbau wieder einmal an den Abgrund der Unrentabilität.

Und wieder einmal, mit Beginn des Neuen Jahrhunderts, weckten technische Neuerungen die Hoffnung auf das Fortbestehen dieses Wirtschaftszweiges, der mit seinen vor- und nachgelagerten Gewerken der Brotgeber einer ganzen Region war. Ein elektrifizierter Bergbau könnte die Lösung sein, und „Strom im Revier“ würde auch andere Industriezweige nach Freiberg locken. Der Gedanke, ein Wärmekraftwerk mit Steinkohle aus Freital zu betreiben, wurde angesichts des mühsam ausgebauten Systems zur Versorgung mit Wasser (künstlich angelegte Gräben und Speicherteiche bis in das obere Erzgebirge) und der Wasserlösung (mit der Fertigstellung des in ca. 270 m Tiefe angelegten, über 30 km langen Rothschönberger Stollns 1877) schnell verworfen. Ein Wasserkraftwerk im Berg – aus heutiger Sicht die logische Idee, aber ungemein revolutionär, entstand.

Der zwischenzeitlich stillgelegte „Drei-Brüder-Schacht“ wurde wieder in Stand gesetzt. Knapp über dem „Rothschönberger Stolln“ wurde eine Kaverne geschaffen, um die Turbinen und Generatoren aufzunehmen. Heiligabend 1914 feierlich in Betrieb genommen, wurde hier unten „sauberer Strom“ gewonnen. Das Kraftwerk lieferte gemeinsam mit dem Geschwisterkraftwerk im „Constantin-Schacht“ bis zu 10 MVA in das öffentliche Freiberger Netz. Den Bergbau selbst konnte diese Errungenschaft nicht retten, wohl aber die Wirtschaft der Region.

Bis 1972 arbeitete das Kraftwerk. Nach seiner Stilllegung verfiel der Schachtausbau, denn auch dessen Wartung wurde eingestellt. Die Kraftwerksanlagen, über wie unter Tage, sind im nahezu ursprünglichen Originalzustand von 1914 erhalten. Die Hochwasserereignisse von 2002 führten vor Augen, wie wichtig die Erhaltung auch unseren Augen entzogener Anlagen wie des „Rothschönberger Stollns“ ist. Seit der Instandsetzung des Drei-Brüder-Schachtes dient dieser nun als südlichster Zugang für die Wartung des Stollns.

Erstaunlich die Geschichte im Überblick: der Schacht wurde geteuft, um das Problem „Wasser im Berg“ zu lösen, wurde reaktiviert, um genau mit diesem Medium der Region neue Perspektiven zu öffnen und wird erhalten, um auch für nachkommende Generationen das Wasser nicht zum Problem werden zu lassen.