Wassergöpel

Drei-Brüder-Schacht

1791 vereinbarten die Gewerke der Gruben „Beschert Glück“ und „Segen Gottes Herzog August“, zukünftig mit vereinten Kräften die bebauten Gänge weiter in die Tiefe zu verfolgen. Um der zu erwartenden Wasserzuflüsse Herr zu werden, sollte ein neuer Stolln angelegt werden, mindestens 30 Meter unter dem bis dahin tiefsten Stollnniveau des „Kurfürst-Johann-Georg-Stollns“. Die Kosten für dieses Projekt, welches Bedeutung nicht nur für diese beiden Gruben, sondern für das gesamte südliche Revier hatte, teilten sich der Fiskus (50%) und die beiden Gruben (je 25%). Wenn man so will, eine Vorwegnahme der Beteiligung des Staates an bedeutenden Bergbauanlagen wie dem „Rothschönberger Stolln“.

Zusätzlich sollte ein neuer Schacht (der „Drei-Brüder-Schacht“) im Grubenfeld von Segen Gottes die erforderliche Technik aufnehmen. Schließlich stand zu jener Zeit die „Segen Gottes Herzog August Fdgr.“ in bester Ausbeute. Der Plan ging dahin, die von Beschert Glück verbrauchten Aufschlagwässer zu nutzen und diese dann über den neu aufzufahrenden Stolln zu lösen. Mit den geplanten 30 Metern Gefälle zwischen „Kurfürst-Johann-Georg-Stolln“ und dem neuen „Moritzstolln“ hätte man zwei Kunsträder übereinander einhängen können. Nach 27 Jahren Bauzeit (!) hatte man jedoch mit dem „Moritzstolln“ lediglich 16 Meter freies Gefälle im Drei-Brüder-Schacht einbringen können. Für zwei Kunsträder war das zu wenig. Außerdem war zwischenzeitlich klar geworden, dass der neue Schacht nun auch als Treibeschacht dienen musste.

Das für die Förderung erforderliche (steuerbare) Kehrrad konnte sich demnach nur mit dem Kunstrad die 16 Meter Gefälle teilen – nicht viel. Als zusätzliche Schwierigkeit erwies sich der enge Querschnitt des Schachtes. Anfänglich nur zur Aufnahme von Kunstgezeugen geplant, bot er nun neben den beiden Fördertrümern keinen Platz mehr für eine Seiltrift der Fördermaschine. Folglich konnten die Seilkörbe nur über Tage hängen.

Die Probleme löste man wie folgt: Das Kunstrad mit 11,3 Metern Durchmesser hing hart über Sohle des „Moritzstollns“. Sein Aufschlag wurde vom darüber gehängten Kehrrad bedient. Aus Platzgründen (s.o.) hatte dieses nur einen Durchmesser von 5,7 Metern. Das Kehrrad wurde mittelschlächtig betrieben, d. h., die Beaufschlagung erfolgte in Höhe des Wellenmittels. Für den Freiberger Bergbau war diese Notlösung schon eine Besonderheit. Nicht nur, dass man mit der mittelschlächtigen Betriebsweise deutlich Leistung verlor. Schließlich wurde auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstiger. Die Radkammer musste fast gleich groß ausgehauen werden wie für ein oberschlächtiges (leistungsfähigeres) Rad mit gleichem Durchmesser.

Um die Kraft des Kehrrades auf die Seilkörbe zu bringen, setzte man in bewährter Weise Gestänge ein. Allerdings stellte BRENDEL für die hier benötigte saigere Länge von 128 Metern (!) gesonderte Berechnungen zur dynamischen Stabilität an.

Im Schacht selbst war Platz für ein Gestängetrum. Ein nur einseitig angeschlagenes Gestängepaar hätte aber eine asymmetrische Belastung vor allem der Kehrradwelle, die Gefahr eines unrunden Laufes und des Abbremsens auf dem Totpunkt (Kurbelarm und Gestänge liegen in einer Linie) bedeutet. Abhilfe war nur mit einem um 90° versetzten zweiten Gestängepaar auf der anderen Seite des Rades zu schaffen. Dafür musste jedoch erst noch ein zweiter Schacht geteuft werden. Mit dem Treiben von Gesenken und Überhauen wurde dies zügig in Angriff genommen, und so konnte die gesamte Anlage 1824 endlich in Betrieb genommen werden.

Bald stellte sich heraus, dass die Leistung des kleinen Kehrrades nicht ausreichte. Man riss daher um 1845 die Radstube nach und hängte ein 9 Meter hohes Rad ein. Die alten Aufschlagröschen wurden verspündet. Vor den Verspünden fuhr man mit Überhauen bis in die Firste der Radstube, um so die Wässer in oberschlächtige Schussgerinne leiten zu können. Das Wasser wurde im „Kurfürst-Johann-Georg-Stolln “ über die gesamte Gefällelinie zwischen „Beschert Glück“ und „Drei-Brüder-Schacht“ so aufgestaut, dass es in „Beschert Glück“ nicht im Schacht verfiel und am „Drei-Brüder-Schacht“ in die höhergelegten Schussgerinne lief.

Damit wurde erstmals ein unterirdischer Wasserstau gebaut. Rund 70 Jahre später bediente sich das Revierelektrizitätswerk im „Drei-Brüder-Schacht“ ebenfalls aus einem solchen Wasservorrat, nur in anderen Dimensionen (1,5 Mio m3 bei 135 m maximaler Stauhöhe)!

Das, was hier in wenigen Sätzen geschildert wird, war eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Kein Wasserrad konnte im fertig gebauten Zustand durch enge Schachtröhren unter Tage in die Radstube gelangen.

Zunächst wurde ein Ort vorgetrieben, von diesem Strossen nachgezogen und so allmählich der gesamte Hohlraum geschaffen. Bei allen Arbeiten musste darauf geachtet werden, dass genügend Bergfeste zum Schacht blieb und das Gestein insgesamt nicht in Bewegung kam. Störungen verfolgte man weit in das Gebirge, um ein Herabfallen von Lösern nach dem Einbau des kostbaren Rades zu verhindern. Im Zweifelsfalle wurde mit Ausbau und Mauerung gesichert. Den Bewegungsraum des Rades kontrollierte man mit einer im Wellenmittel aufgelegten Lehre, die um diese Achse gedreht werden konnte.

Währenddessen wurde über Tage das Rad soweit vormontiert, dass alle Verbindungen zum Transport wieder gelöst werden konnten. Der Formschluss der einzelnen Bauteile war perfekt. So hinderte man das Wasser am Eindringen und verbesserte damit die Haltbarkeit. Mit dem Aufquellen des Holzes erreichten die Verbindungen außerordentliche Festigkeit. Solange ein solches Rad gleichmäßig mit dem Wasser in Kontakt kam, war es über 100 Jahre haltbar.

(Anmerkung: Aus diesem Grund wurden bei allen Wasserkraftanlagen die Wasserschütze bewusst undicht gehalten und bei Stillstand der Anlage die Bremsen gelöst. Das durch die undichten Schützen laufende „Tröpfelwasser“ füllte allmählich die Taschen, was für einige Leerlaufumdrehungen reichte. Das Rad blieb in einer anderen Stellung stehen, das Spiel beginnt von neuem. Angezogene Bremsen waren das Todesurteil der Wasserräder. Während die eine Seite bewässert wurde, trocknete die andere Hälfte immer mehr aus und wurde zum Nährboden der Pilze…)

Nach der Vormontage „auf Probe“ wurden zunächst die Kurbelzapfen in die Radstube gebracht. Danach kam das größte und zugleich schwerste Bauteil: die Welle. Unter Tage fügte man Kurbelzapfen und Welle mittels eiserner Ringe zusammen und legte die fertige Welle in die Lager. Jetzt konnten die Hauptarme eingesetzt und provisorisch arretiert werden, gefolgt von den Hilfsarmen. Segmentweise heftete man nun den Kranz an die Arme und schloss danach den Kranzboden. Erst jetzt, mit dem Antreiben der Arme wurde das gesamte Konstrukt stabil. Erst jetzt zeigte sich, ob die Auswahl des Holzes und seine Verarbeitung eine Unwucht vermied.

Wenn man nun bedenkt, dass für alle diese Arbeiten nur Muskelkraft und einfache Werkzeuge zur Verfügung standen und die Lichtverhältnisse eher dürftig waren, so muss man vor den Alten den Hut ziehen!

Dem Betrachter mag sich um 1865 am „Drei-Brüder-Schacht“ ein imposantes Bild dargeboten haben: Im weit sichtbaren, hölzernen Göpelhaus des Schachtes versieht der Treibemeister seinen Dienst.

2 Schläge: Aufholen! 6 Schläge: VI. Gezeugstrecke! Der Treibemeister antwortet mit gleicher Schlagzahl: Verstanden! Er zieht an einer Stange. Über eine Wippe oben im Göpelgebälk und ein langes Gestänge im Schacht öffnet er so das Schütz über dem Rad, 128 Meter unter seinen Füßen. Was er nicht sieht: Das Wasser rauscht kraftvoll in die Taschen des einen Radkranzes und füllt sie schnell. Ein Ziehen an einer zweiten Stange löst die Bremse. Wie von Geisterhand bewegt, sieht der Betrachter die Korbstangen zu beiden Seiten der Seilkörbe mit knarrendem Geräusch auf und nieder gehen. Über vier mächtige Seilscheiben oben im Dachstuhl laufen die Seile in den Schacht. Während das eine abläuft, holt das andere die volle Tonne auf. Aufmerksam verfolgt der Treibemeister die Markierungen am Seil. So weiß er genau, wo sich beide Tonnen jeweils befinden. Ein immer lauter werdendes, dumpfes Rumpeln verrät, dass es die aufgeholte Tonne nicht mehr weit bis zum Tageslicht hat. Noch bevor sie auftaucht, schlägt der Treibemeister das Wasser weg. Die Schwungkraft des schweren Rades reicht für die letzten Meter. Mit der Hand am Bremsgestänge dirigiert er die Tonne im Fördergestell zum Hängen. Polternd fällt das Haufwerk in den Hunt.

Heute ist vom alten Wassergöpel nichts mehr erhalten. Mit der Aufwältigung des Schachtes für das Revierelektrizitätswerk musste das baufällige Gebäude einem Neubau aus Stein weichen. Dessen Architektur erinnert noch an den Vorgänger. Das Kavernenkraftwerk Drei-Brüder-Schacht liegt weit unter den alten Radstuben. Aber: es nutzte die gleiche Energiequelle, nur mit neuer Technik effizienter.

Wassergöpel des Drei-Brüder-Schachts

Quellen:

/1/ „Kavernenkraftwerk Drei-Brüder-Schacht – Geschichte und Überlegungen zur Rekonstruktion“ GALINSKY, LEISTNER, SCHEUERMANN u.a.; 2002;