Revierwasserlaufanstalt

Drei-Brüder-Schacht

Etwa 1168 begann der Erzbergbau auf Silber im Gebiet der heutigen Orte Freiberg und Brand-Erbisdorf. Mit dem Erreichen größerer Teufen machte sich der Grund- und Kluftwasserzufluß existenziell bemerkbar, Grubenbaue soffen ab. Nach dem einfachen Wasserschöpfen folgte eine schrittweise Technisierung mit Handhaspeln, Göpeln und später mit Wasserrädern, vom Bergmann Kunsträder genannt, welche Pumpen antrieben. Zu den einschlägigen Wasserrädern kamen sogenannte Kehrräder mit zwei Drehrichtungen als Antriebsmaschinen für die Förderung von Material, Erz und taubem Gestein hinzu. Die Wasserkraft war zu dieser Zeit neben der Wind- und Muskelkraft von Mensch und Tier die einzige technisch beherrschte und ausreichend zur Verfügung stehende Energiequelle.

In der 1. Periode des Freiberger Silberbergbaues organisierte jede Grube die Zuführung von Aufschlagwasser, dem Wasser zum Antrieb der Kunst- und Kehrräder, selbst. Zunehmend größer werdende Gruben und das Erschließen tieferer Abbaue führten zu einem immer größer werdenden Energie- und damit Wasserbedarf für die Bergwerke, Pochwerke und Erzwäschen. Die natürlichen Wasserläufe im Einzugsgebiet von Freiberg reichten bald nicht mehr aus, da der Münzbach nur ein sehr kleines Einzugsgebiet hat.

Ab 1558 erfolgte der systematische Ausbau eines Wasserzuführungssystems auf kurfürstlichen Befehl, unter der Leitung von Martin Planer. Er griff auf Pläne des zuvor beim Kurfürsten in Ungnade gefallenen Simon Bogner zurück. Bestehende Fischteiche, wie der Untere Großhartmannsdorfer Teich, wurden für den Bergbau erweitert und neue, wie der Obere Großhartmannsdorfer Teich dafür angelegt.

Oberer Großhartmannsdorfer Teich Bau 1890 – 1895   Bildquelle: Landestalsperrenverwaltung Sachsen / Archiv

Wasserführende Gräben, wie der Müdisdorfer und der Hohbirker Kunstgraben, wurden angelegt, um die Teiche zu verbinden und mit Wasser zu versorgen. Besonders hervorzuheben ist die erstmalige Unterquerung der Wasserscheide zwischen der Flöha und der Freiberger Mulde mit der Obersaidaer Rösche (tunnelartiges Bauwerk zur Wasserführung), die gemeinsam mit dem Obersaidaer Kunstgraben Wasser aus dem Saidenbach in den Oberen Großhartmannsdorfer Teich leitet.

Röschenmundloch der Obersaidaer Rösche am Oberen Großhartmannsdorfer Teich   Bildquelle Jens Kugler

1684 gründete Kurfürst Johann Georg III. die Kürfürstliche Stollen- und Röschenadministration, die 1806 infolge von Staatsreformen in Königliche Stolln- und Röschenadministration umbenannt wurde. 1831 erfolgte die Überführung der Anlagen in Staatseigentum und die Umformung der „Königlichen Stolln- und Röschenadministration“ in die „Fiskalische Administration der Stolln und Röschen“. Ziel in dieser Zeit war die Schaffung einer Überleitung von Wasser der Flöha in den Freiberger Raum. Dazu wurden der Dörnthaler Teich und der Dittmannsdorfer Teich sowie die dazwischenliegenden Kunstgräben und langen Röschen gebaut. Vollendet wurde dieses Wasserführungssystem 1863 mit dem Erreichen der Flöha in Neuwernsdorf. Das fiskalische Wasserversorgungssystem für den Freiberger Bergbau bestand damals aus ca. 61 km Kunstgräben und 17 km Röschen sowie 26 Kunstteichen.

Kirchenrösche in Großhartmannsdorf   Bildquelle Jens Kugler

Zuvor hatte König Friedrich August 1853 das Regulativ über die Verwaltung der Revier-Wasserlaufs-Anstalt (RWA) erlassen, später als Revierwasserlaufanstalt Freiberg bezeichnet.

Wegen eines 20 Jahre dauernden Rechtsstreits mit den Wasserrechtsbesitzern entlang der Flöha konnte die Wasserabgabe an das Freiberger Revier erst im Jahr 1882 über den Neuwernsdorfer Wasserteiler erfolgen, der den am weiteren Verlauf der Flöha anliegenden Spinnereien und Mühlen einen Mindestzufluss von 34 m³/min sicherte. Nur das Überschusswasser (sogenanntes Flutwasser) konnte von der RWA für den Bergbau ins Freiberger Revier geleitet werden. Der Wasserteiler befindet sich seit 1968 im Stauraum der Talsperre Rauschenbach.

Kunstgraben bei Müdisdorf unterhalb des Unteren Großhartmannsdorfer Teichs   Bildquelle Jens Kugler

Mit dem wirtschaftlichen Niedergang des örtlichen Bergbaus ab 1871 und der zu dieser Zeit fortgeschrittenen Industrialisierung eröffneten sich für die RWA neue Aufgaben. Zur Förderung der Ansiedlung von Nachfolgeindustrien des Bergbaus und dem Erhalt bestehender Aufbereitungsanlagen (das Erz kam nun mit Schiff und Eisenbahn nach Freiberg) war und ist ein kostengünstiges Stromangebot wesentlich. Bereits ab ca. 1899 gab es seitens des Direktors der Staatlichen Erzbergwerke Heinrich Fischer Überlegungen die frei werdenden Wässer für eine Verstromung zu nutzen. Dazu wurde 1912 ein Gesetz erlassen, welches der RWA Freiberg auch erlaubte, mittels eines Wasserkraftwerks Elektroenergie zu erzeugen.

Zu diesem Zeitpunkt war die Planung des künftigen Revierelektrizitätswerkes (REW) durch Oberbergrat Oscar Reinhold Lange schon weit vorangeschritten. Auseinandersetzungen mit der Stadt Freiberg um Grundstücksrechte machten jedoch Ende 1912 eine Änderung der Planung erforderlich. Am 02.01.1913 veröffentlichte Lange seinen neuen Plan, der von da an zügig realisiert wurde: Errichtung eines Speicherteichs am Constantinschacht und Aufteilung der Gesamtfallhöhe in zwei Gefällestufen, Oberwerk im Constantinschacht und Unterwerk im Drei-Brüder-Schacht, dazwischen der unterirdische Stauraum in abgeriegelten Grubenbauen.

Gespeist wurde dieses Wasserkraftwerk über den Hohbirker Kunstgraben der RWA und zusätzlich über unterirdisch zufließendes Gruben- und Sickerwasser.

Ein genialer Plan, der bereits am 24.12.1914 soweit realisiert war, dass der erste Strom im Unterwerk erzeugt werden konnte. Der reguläre Betrieb begann im Januar 1915. Das Oberwerk und der Bau des Constantinteiches folgten kriegsbedingt erst 1922.

Konstantinteich mit Konstantinschacht im Hintergrund   Bildquelle Jens Kugler

1953 erfolgt die wirtschaftliche Trennung von RWA und REW (Revierelektrizitätswerk). Die RWA mit den Wasserzu- und Ableitungsanlagen wird in den VEB Wasserwirtschaft Mulde eingegliedert. Das REW geht an den VEB Energieversorgung Karl-Marx-Stadt. Wasserbereitstellungsmenge und Wasserpreis für das REW führen fortan zu Streitigkeiten.

Ab 1975 findet sich die ehemalige RWA in der Talsperrenmeisterei Freiberger Mulde / RWA wieder, die 1980 mit der Talsperrenmeisterei Zschopau vereinigt wird.

Mit den gesellschaftlichen Veränderungen 1990 erfolgt die Rückführung und Übertragung der Verantwortung für die RWA 1992 an den Freistaat Sachsen, dessen Aufgaben für die Unterhaltung und den wasserwirtschaftlichen Betrieb die Landestalsperrenverwaltung gesetzlich wahrnimmt.

Das Wasserleitungssystem der Revierwasserlaufanstalt ist noch heute nach über 450 Jahren in Betrieb und versorgt den Raum Dresden, Freiberg und das östliche Erzgebirge mit Rohwasser für die Trink- und Brauchwasserversorgung. Die aktive, von der Landestalsperrenverwaltung verwaltete Revierwasserlaufanstalt Freiberg besteht heute aus insgesamt ca. 55 km Kunstgräben und 23 km Röschen sowie 10 Kunstteichen und zahlreichen Nebenanlagen.

Was wurde nun aus dem Revierelektrizitätswerk?

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